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Anlage 1

1. Rede des Berliner Datenschutzbeauftragten zu Protokoll

der Sitzung des Abgeordnetenhauses am 7. September 1995

Sehr verehrte Frau Präsidentin,

sehr geehrte Damen und Herren!

Zum letzten Mal in dieser Legislaturperiode steht der Bericht des Datenschutzbeauftragten sowie die Stellungnahme des Senats dazu auf der Tagesordnung der Plenarsitzung des Abgeordnetenhauses. Dies möchte ich zum Anlaß nehmen, einen kurzen Rückblick auf die Entwicklung des Datenschutzes zu geben und einige kurze Bemerkungen zum Stand des Datenschutzes in unserem Lande zu machen.

Als die neue Legislaturperiode begann, war eine Neufassung des Datenschutzgesetzes in Kraft, die nur noch wenig Raum ließ für eine generalklauselartige Bewertung von Eingriffen in die informationelle Selbstbestimmung. Nunmehr war es vielmehr erforderlich, in Einzelregelungen die spezifischen Anforderungen der vielfältigen Gesetzesmaterien an die Verarbeitung personenbezogener Daten zu formulieren.

Der Gesetzgeber hat sich in der vergangenen Legislaturperiode dieser Aufgabe mit großem Ernst und ich meine mit Erfolg gewidmet: In eine Reihe von Gesetzen wurden angemessene Regelungen der Datenverarbeitung und des Datenschutzes eingefügt; das letzte große Vorhaben, die Neufassung der Bestimmungen zur Verarbeitung von Personaldaten und der Führung von Personalakten im öffentlichen Dienst, wird dieses Abgeordnetenhaus noch verabschieden; lediglich die normenklare Regelung der Durchführung von Sicherheitsüberprüfungen steht aus, da ein Konsens über die Notwendigkeit und die Inhalte eines derartigen Gesetzes offenbar nicht erreicht werden konnte. Weite Bereiche der erforderlichen Regelungen wurden in einem Artikelgesetz erfaßt, das seinerseits auf dem Wege der Verordnungsermächtigung Raum ließ für zeit- und problemnahe Bestimmungen, die bis auf wenige Ausnahmen vom Senat inzwischen auch erlassen wurden.

Die strengen Anforderungen, die der Landesgesetzgeber selbst an die Regelungsdichte im Bereich des Datenschutzes gestellt hatte, machten Ausnahmen erforderlich, die zu bedeutsamen Auseinandersetzungen zwischen Senat und Datenschutzbeauftragten, sowie zu entsprechenden Debatten in diesem Hause führten:

Die Verarbeitung personenbezogener Daten zu Zwecken der "allgemeinen Verwaltung", also zu Zwecken, die jedem Teil der Verwaltung eigen sind und deren Regelung in den jeweiligen, die Aufgabenbereiche der Verwaltung umschreibenden Gesetzen zu einem unvertretbaren und geradezu grotesken Aufwand geführt hätte, wurde gebündelt in dem Gesetz zur Informationsverarbeitung in der Berliner Verwaltung geregelt -ein Gesetz übrigens, das in verschiedener Hinsicht Mängel aufweist und in der neuen Legislaturperiode dringendst novelliert werden muß. Die entsprechenden Vorarbeiten sind von der Senatsverwaltung für Inneres und uns bereits geleistet worden.

Seitenanfang Die Verarbeitung personenbezogener Daten zum Vollzug von Bundesrecht auf dem Hintergrund des Berliner Datenschutzgesetzes machte ebenfalls Schwierigkeiten. Da das Bundesdatenschutzgesetz im Gegensatz zum Berliner Gesetz vielfältige Generalklauseln enthält, sieht der Bundesgesetzgeber nur bei besonders eingriffsintensiven Materien die Notwendigkeit bereichsspezifischer Regelungen. Derartige Bestimmungen sind in den letzten Jahren vielfältig verabschiedet worden (z.B. in den Bereichen der Sozial-, der Gewerbe- oder Ausländerbehörden). Es blieben aber weite Bereiche, wo derartige bundesrechtliche Initiativen nicht ergriffen wurden oder nicht voran kamen. Hier hatten wir, um das Regelungskonzept des Berliner Datenschutzgesetzes zu wahren, den Erlaß von Ausführungsgesetzen gefordert, was in einigen Gebieten auch zur Schaffung entsprechender Gesetze führte (etwa bei der Bauverwaltung oder der Regelung offener Vermögensfragen). Für den nach wie vor vorhandenen Rest an Bundesrecht ohne Datenschutzregelungen wurde am Ende der Legislaturperiode das Berliner Datenschutzgesetz dahingehend novelliert, daß hier künftig die Befugnisnormen des Bundesdatenschutzgesetzes ergänzend Anwendung finden.

Viel Kritik hat der Datenschutz deswegen auf sich gezogen, weil die Forderung nach bereichsspezifischer Regelung auch dann galt, wenn wegen der Art der Daten oder deren Verarbeitung schutzwürdige Belange gar nicht beeinträchtigt werden konnten - man denke z.B. an die Verwendung von Adressen in den Verteilern, die die Verwaltung für die Versendung von amtlichen Schriftstücken, aber auch von Informationsmaterialien führt. Auch für die Verarbeitung dieser "Trivialdaten" konnte am Ende der Legislaturperiode im Einvernehmen zwischen Fraktionen, Verwaltung und Datenschutzbeauftragten eine legislative Lösung gefunden werden.

Im Ergebnis konnte der Grundsatz des Berliner Datenschutzgesetzes, die Verarbeitung personenbezogener Daten in der Verwaltung nur auf der Grundlage spezifischer Vorschriften zuzulassen, gewahrt werden, auch wenn von verschiedenen Seiten vielfältige Kritik geäußert wurde. Einer der häufigsten Einwände war der, daß diese Regelungen die ohnehin vorhandene Normenflut noch vergrößerten. Dem war und ist zu erwidern, daß die Normenflut selbstverständlich da abzubauen ist, wo sie nur Selbstbeschäftigung der Verwaltung ohne Effekte für den Bürger erzeugt - das öffentliche Dienstrecht ist hier ein hervorragendes Beispiel. Wenn es dagegen um Grundrechte der Bürger und deren Beschränkung geht - und die Verarbeitung der Daten des Bürgers gehört hierzu - bleibt der Gesetzgeber aufgerufen, die Eingriffsmöglichkeiten des Staates klar zu bestimmen.

In der angesprochenen Novellierung des Berliner Datenschutzgesetzes hat dieses Haus einen weiteren Schritt zur Förderung des Datenschutzes in unserem Land getan: Es folgte den langjährigen Empfehlungen des Datenschutzbeauftragten, die Kontrolle des Datenschutzes im öffentlichen und im privaten Bereich in eine Hand zu geben. Seit dem 1. August dieses Jahres ist der Datenschutzbeauftragte auch Aufsichtsbehörde für Privatunternehmen. Eine Aufgabe, die wir mit großem Ernst übernommen haben, und deren Wahrnehmung dazu führen wird, das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Bürger unseres Landes auch außerhalb der Verwaltung zu stärken.

Trotz dieser Erfolge auf der Ebene der Gesetzgebung sind auch nach über fünfzehn Jahren Datenschutzpraxis in der Verwaltung noch Defizite aufzuarbeiten. Noch immer stehen bei Entscheidungen über Erhebung, Speicherung, Nutzung und Weitergabe personenbezogener Daten häufig nicht der Bürger, sondern die Eigeninteressen der Verwaltung im Vordergrund. Manche Erwiderung des Senats auf unseren Tätigkeitsbericht bringt trotz allen Wohlwollens, von dem die Berliner Verwaltung im Unterschied zu Erfahrungen anderwärts geprägt ist, dies deutlich zum Ausdruck. Wenn es, um nur ein einziges Beispiel zu nennen, etwa die Innenverwaltung ablehnt, dem Wunsch eines eingebürgerten Deutschen zu entsprechen und das Geburtsland (dem er sich auf Grund der dort herrschenden Verhältnisse entfremdet hat) im Personalausweis nicht ausdrücklich aufzunehmen, so zeigt dies, daß es nach wie vor erheblicher Anstrengungen bedarf, im Einzelfall dem informationellen Selbstbestimmungsrecht des Bürgers auch bei widerstrebenden Interessen der Verwaltung Geltung zu verschaffen.

Sehr geehrte Damen und Herren,

bei der heutigen Gelegenheit möchte ich mich nochmals herzlich für die gute Zusammenarbeit bedanken, die zwischen diesem Hause, seinen Organen und Ausschüssen und dem Datenschutzbeauftragten möglich war. Vieles konnte auf diesem Hintergrund erreicht werden. Danken möchte ich vor allem den Mitgliedern des Unterausschusses Datenschutz des Innenausschusses sowie seinem scheidenden Vorsitzenden Helmut Hildebrand, die in großer Sachlichkeit und Geduld die Probleme des Datenschutzes erörterten und sich im übrigen, sicherlich aus guten Gründen, nicht immer unserer Auffassung anschlossen.

Zuletzt geΣndert:
am 09.02.97

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